Folgender Text stammt von Pascale Hugues, in ihren Kolumnen im Tagesspiegel immer eine hervorragende Beobachterin der Deutschen, insbesondere der Berliner:
Einst war der Frühling eine naive, verspielte Jahreszeit. Er gehörte den Verliebten, den Blümelein und den Vögelchen. Das war einmal. Rund um den Schlachtensee animieren die ersten Temperaturschübe heute nicht mehr die Vögel zum Singen, Springen und Scherzen, sondern Bataillone von Joggern zum Keuchen, Spucken und Ächzen.
Die Morgenstunden gehören den Zehlendorfer Damen. Die Kinder sind in der Schule, die Ehemänner schuften im Büro. Der See ist noch kalt und finster, der Himmel leuchtet in zarten Mauve-Tönen. Die Zehlendorferinnen joggen paarweise nebeneinander her, in der gleichen Anordnung wie die Perlenstecker in ihren Ohrläppchen. Sie kultivieren einen lasziven Trott, der eher nach mediterraner Passeggiata aussieht als nach Nordic Walking. An ihren Gürteln baumeln Mineralwasserflaschen. Nach dem Parcours belohnen sie sich mit Cappuccino auf der Terrasse der Fischerhütten.